Stefan Slupetzky erzählt in seinem neuen Buch Biographisches vor dem Hintergrund des Holocausts. Er baut die Fakten „gekonnt in eine spannende Romanhandlung ein“, meint Rezensentin Maria Fellinger-Hauer.
Ausgabe: 2016/26
28.06.2016 - Maria Fellinger-Hauer
Der Wiener Autor Stefan Slupetzky, bisher durch Krimis und Kinderbücher bekannt, legt in seinem neuen Roman eine autobiographisch inspirierte Familiengeschichte vor, die zwei gewichtige Themen miteinander verwebt. Das ist einerseits die Frage, wie schwer die persönlichen Dramen einer in Frieden und Wohlstand hineingeborenen Generation wiegen (dürfen), angesichts der Dramen, die die Großelterngeneration durchleben musste. Das andere ist die simple, aber lebensnotwendige Tatsache, dass jede Entscheidung tausend andere Möglichkeiten ausschließt. Das führt sensible Menschen bisweilen zur Frage, ob es denn möglich wäre, alles bisherige hinter sich zu lassen und neu zu beginnen. Dieses Thema wurde in der Literatur immer wieder beschrieben. Zum Beispiel von dem Schweizer Autor Peter Stamm in seinem jüngsten Buch „Weit über das Land“ oder von seinem Landsmann Pascal Mercier in „Nachtzug nach Lissabon“. Daniel Kowalski heißt Slupetzkys Protagonist. Er leidet schwer unter dem plötzlichen und frühen Tod seines Vaters, als Daniel erst 22 Jahre alt ist. Sein Vater entstammte einer prominenten Nazifamilie. Der Großvater hat in seiner Chemiefabrik nicht nur das tödliche Zyklon B hergestellt, sondern es in Mauthausen eigenhändig angewendet. Daniels Mutter hingegen ist Jüdin und hat alle ihre Vorfahren entweder durch die Nazis oder später in Israel verloren. Einzig eine Großtante überlebt. Diese bringt Daniel schließlich auf eine Spur seines Vaters, die der Geschichte eine neue Wendung gibt. Im Keller des Hauses, das ehemals im Familienbesitz seiner Mutter war und in dem Daniel als Kind gelebt hatte, findet er Tagebuchaufzeichnungen seines Vaters, die eine fixe Idee in seinen Kopf einpflanzen und ihn zum Handeln zwingen. Eine berührende Geschichte, in der biographische und historische Fakten gekonnt in eine spannende Romanhandlung eingebaut sind.#
Stefan Slupetzky, Der letzte große Trost, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 2016, ISBN 978-3-498-06152-4, 250 S., € 19,95