Oberösterreichs Wirtshäuser sperren reihenweise zu. Die Auswirkungen für die Gesellschaft sind enorm. Wie er unter den vielen Vorschriften leidet und wie die Welt der Wirtshäuser funktioniert, erzählt der Steyrer Gastronom Otto Klement.
„Der Wirt ist ein Kunsthandwerker. Er veredelt gute Produkte. Das ist eine hohe Herausforderung. Es ist aber auch die Chance der Wirte. Sie haben einen sozialen und kulturellen Auftrag.“ – So schwärmt der bekannte Steyrer KultiWirt Otto Klement von seinem Beruf. 2013 hat er sein Wirtshaus „Knapp am Eck“ nahe dem Museum Arbeitswelt an seinen Sohn übergeben, doch ist er noch oft im Wirtshaus. Otto, wie ihn viele nennen, hat 1985 das Wirtshaus übernommen. Davor war er Sozialarbeiter. Und blieb es in anderer Form. Wirtsein, so Otto, ist irgendwie auch ein pastoraler Akt. „Es gibt das Beichtgeheimnis, und es gibt auch das Wirtsgeheimnis.“
Lachen, tratschen, streiten
Kein Geheimnis ist, was einen guten Wirt ausmacht: Die Grundlage ist Qualität – des Essens und der Getränke. Dann fährt Otto fort: „Ich darf keinen Ausschlag kriegen, wenn Gäste bei mir anstreifen. Ich muss auf eine ausgewogene Schichtung des Publikums achten. In der Wirtsstube muss es lebendig sein, da muss gelacht, getratscht und Karten gespielt werden, auch gestritten darf werden, aber dann muss man aufstehen und miteinander heimgehen können.“ Das ist doch Gästesache, könnte man denken. Für ein solches Klima zu sorgen, ist aber wesentlich auch Wirtssache. „Das kann der Wirt beeinflussen.“ Dafür gehört er freigespielt, betont Otto, der zu den Gründern der Wirte-Kooperation unter der Dachmarke „KultiWirte“ gehört und etliche Jahre an deren Spitze stand.
Wirtshauskultur
Knapp 80 KultiWirte bekennen sich in Oberösterreich zur „oberösterreichischen Wirtshauskultur“. Darunter verstehen sie Gastlichkeit im Spannungsfeld von Tradition und moderner Gastronomie. Sie haben ganzjährig geöffnet, mittags und abends, und tischen mindestens sechs Hauptgerichte auf. KultiWirte legen Wert auf ein regionales Speisenangebot, heimisches Bier, österreichische Qualitätsweine und oberösterreichischen Most. Ein Stammtisch lädt zum Z’sammsitzen oder eine Stehschank zum Plaudern ein. Und der Wirt bzw. die Wirtin reden mit den Gästen. So wird das Wirtshaus zum Gasthaus.
Soziale Klammer rostet
Allergen-Verordnung, Registrierkassa, Rauchverbot – für Otto Klement sind es Nebenschauplätze. Fürs Wirt-Sein brauche es ein lustvolles Klima. Dieses Klima überträgt sich auf die Gaststube. Otto ist ein leidenschaftlicher Wirt, der seine Rolle auch als Nahversorger-Aufgabe im Da-Sein versteht. „Stimmt das Dreieck Pfarrer – Wirt – Bürgermeister nicht, stirbt der Ort.“ Es sind ja auch Greißler und Bäcker möglicherweise schon weg. „Da rostet die soziale Klammer im Ort ein.“
Wirt mit Lust
Es gibt Orte, in denen binnen weniger Monate drei Wirtshäuser zusperren. Die strukturellen Maßnahmen, wie die Registrierkassa, spielen da eine Rolle. Doch für Otto Klement sind die Registrierkassen kein Thema, „wegen dem ich die Segeln streichen muss“. Das werde medial aufgebauscht. Das Gleiche gelte fürs Rauchen. Im „Knapp am Eck“ wird schon seit zehn Jahren nicht mehr geraucht. „Es stimmt einfach nicht, dass dann keine Kartler und keine Stammtische mehr kommen.“ Die Allergenverordnung kostet Otto ein Lächeln: „Kein Kunde fragt nach den Allergenen.“ Obwohl er auch schon ganz witzige Erfahrungen gemacht hat, etwa dass jemand mit seinem Mehl gekommen ist und gesagt hat: „Bittschön machen S’ mir ein Schnitzerl.“ „Eine Quälerei ist’s“, so sieht auch Otto Klement die vielen Vorschriften. Aber die Lust am Wirt-Sein treiben sie ihm nicht aus. Diese Lust überträgt sich auf die Gaststube. Sie ist gesteckt voll. Kellnerinnen und Kellner sind freundlich, der Wirt nimmt sich Zeit, mit den Gästen zu plaudern. Ottos Sohn hat einige Neuerungen umgesetzt. Darunter auch, dass am Sonntag geschlossen ist. „Das hätte ich mir nie getraut“, sagt Otto. Für die Jungen aber ist der freie Sonntag wichtig, sie haben Familie mit Kindern.
Speisen nicht in Uniform
„Versucht, authentisch zu bleiben“, rät Otto seinen Wirts-Kollegen und verdeutlicht, was er meint: „Reduziert die Lügen, etwa ‚Knödel aus Omas Küche‘, schreibt auf die Speisekarte ,Iglo‘, wenn es ,Iglo‘ ist.“ Die Wirtsleute müssen erlebbar sein. Die Speisen sollen keine Uniform tragen. Die Gasthäuser sollen unterscheidbar sein, nicht aber in der Freundlichkeit. „Der Wirt bespielt eine Bühne. Er muss schauen, welche Schauspieler zu den Gästen passen.“ Das Publikum soll möglichst durchmischt sein.
KultiWirt
Otto Klement sagt zu jedem Gast „Du“. Damit tritt er nahe an ihn heran. Einen kleinen Teil stört das, noch weniger ärgert es massiv. Für die meisten ist es stimmig. „Beziehung ist das Wichtigste, was ein Wirt zum Gast aufbauen kann.“ Je besser er einen Gast kennt, desto mehr kann er zu dessen Zufriedenheit beitragen.
In einem Wirtshaus muss Karten gespielt werden, aber es darf keine Spielhöhle sein. In einem Wirtshaus soll auch musiziert werden können, aber kein Konzert – außer als besondere Veranstaltung. – „Wenn es am Stammtisch extrem zugeht, muss ich als Wirt eingreifen. Das ist meine Pflicht. Ein Spannungsfeld in den Diskussionen aber muss ich aushalten, in einer demokratischen Kultur gibt es Differenzen.“