Der 19-jährige Linzer Elias Grinzinger hat statt Bundesheer oder Zivildienst zwölf Monate lang Gedenkdienst in Paris geleistet. Für die Youtube-Generation bereitete er Dokumente über die Nazi-Gräueltaten auf.
Ausgabe: 2014/44, Grinzinger, Dankl, Gedenkdienst
29.10.2014 - René J. Laglstorfer
„Ich verstehe in der heutigen Zeit die Sinnhaftigkeit eines Wehrdienstes nicht und lehne ihn deshalb persönlich ab“, sagt Grinzinger. Mit 16 informierte er sich, welche Alternativen es zum Bundesheer gibt. Dabei ist er zufällig auf den Auslandsdienst gestoßen. „Die Mission des Gedenkdienstes hat mir gefallen“, erzählt Grinzinger, der im vergangenen Jahr am Akademischen Gymnasium in Linz maturiert hat. „Ursprünglich wollte ich nach Großbritannien gehen“, sagt der Linzer, der sich zwei Jahre lang auf seinen Gedenkdienst vorbereitet hat. Schließlich ist es dann doch die französische Hauptstadt geworden.
Arbeiten in Paris
Seine Einsatzstelle, die Fondation pour la Mémoire de la Déportation (FMD), liegt im Herzen von Paris im mondänen 7. Bezirk – ungefähr in der Mitte zwischen Invalidendom und Eiffelturm. Die „Stiftung zur Erinnerung an die Deportation“, wie Grinzingers Arbeitsort auf Deutsch heißt, ist ein Dokumentationsarchiv. „Wir bekommen oft Anfragen von Menschen, die sich mit den zahllosen Verschleppungen im Zweiten Weltkrieg beschäftigen und Auskünfte benötigen, zum Beispiel über die Zigtausenden Franzosen jüdischen Glaubens, die in Viehwaggons in die Konzentrationslager deportiert wurden“, sagt der junge Oberösterreicher. Er findet es schade, dass es nur so wenige Gedenkdiener gibt.
Alte Filme für die Youtube-Generation
An der FMD war Grinzinger unter anderem für neue Medien verantwortlich. „Ich habe den Online-Blog der Fondation runderneuert, weil der alte in die Jahre gekommen ist. Zum Beispiel haben wir über sämtliche Veranstaltungen zum Thema Deportation berichtet.“ Weiters beherbergt die Fondation ein Archiv mit Videointerviews von rund 100 Holocaust-Überlebenden und Zeitzeugen. „Meine Aufgabe ist es gewesen, die alten VHS-Kasetten zu digitalisieren und sie auf Festplatten zu überspielen“, sagt der Auslandsdiener. Besonders interessante Szenen hat Grinzinger zugeschnitten und im Internet veröffentlicht, zum Beispiel auf YouTube. „Damit junge Menschen sich das ansehen können und sich damit auseinandersetzen.
Aus der Geschichte lernen
Seiner Überzeugung nach trifft die nachgeborene Generation keine Schuld an den Verbrechen des Nationalsozialismus. „Aber sehr wohl haben wir eine Verantwortung, nicht zu vergessen“, sagt der engagierte Gedenkdiener. Man könne nicht einfach verdrängen was passiert ist, denn dann ginge das Wissen über die Gräueltaten der Nationalsozialisten verloren. „Das gilt es zu verhindern. Und das ist genau das, was wir als Gedenkdiener machen“, sagt Grinzinger stolz. Sein Auslandsdienst-Jahr in Paris sei die beste Erfahrung seines Lebens gewesen. Ein Jahr lang selbständig in einer fremden Kultur zu leben und zu arbeiten, sei sehr persönlichkeitsbildend. „Ich würde den Gedenkdienst auf jeden Fall wieder machen und kann ihn jedem nur ans Herz legen.“ Grinzinger hofft bald wieder nach Paris zurückzukehren, „egal ob als Student, Reisender oder beruflich“. Seit kurzem studiert er in Wien Raumplanung und Soziologie. „Mein Berufsziel ist ganz klar Städteplaner, am besten viersprachig.“
Gedenkdienst im Ausland
Seit 1992 ist es möglich, überall auf der Welt Gedenkdienst, Sozialdienst oder Friedensdienst zu leisten. Die größte Organisation ist der „Österreichische Auslandsdienst“, der 1998 von Dr. Andreas Maislinger gegründet wurde. Die jungen Österreicher arbeiten während ihres zwölfmonatigen Dienstes unter anderem in Museen und Archiven, betreuen Kinder und Jugendliche, pflegen alte Menschen oder widmen sich Umwelt- sowie Friedensprojekten. Rund 100 Einsatzstellen in etwa 40 Ländern auf allen fünf Kontinenten stehen zur Auswahl. www.auslandsdienst.at